Viele unserer großen Heiligen betonten die Bedeutung der Kirche zuhause und sogar schon der Heilige Johannes Chrysostomos sagte: "In der Tat, ein Haus ist eine kleine Kirche". In dem Buch "Blueprints for the Little Church. Creating an Orthodox Home" von Elissa Bjeletich und Caleb Shoemaker wird ausführlich beschrieben, wie solch eine Kleine Kirche aussehen kann und warum sie so wichtig ist. Im Folgenden gehe ich auf einzelne Aspekte dieses wundervollen Buches ein und fasse einige Kapitel zusammen, wobei ich jedem, der des Englischen mächtig ist, dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen kann. Man kann es z.B. hier bestellen.
Aus einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2005 geht hervor, dass nur ca. die Hälfte der Erwachsenen, die in der Kirche aufgewachsen sind, sich noch als orthodox identifizieren würden. Die gleiche Studie zeigt aber auch, dass nur die Kinder die Kirche nicht verließen, deren Familie einen tiefen Glauben in den Herzen der Kinder verankert hatten. Somit ist die Kleine Kirche einer der entscheidenden Gründe dafür, dass Kinder in der Kirche bleiben, wenn sie erwachsen werden. Somit haben wir als Eltern eine große Verantwortung, die wir nicht einfach an unseren Priester oder unsere Kirche abschieben können; diese können uns aber dabei helfen, unsere Kinder auf den richtigen Pfad zu leiten.
Die Kirche ist, wie wir wissen, nicht ein Ort, ein Gebäude oder eine multinationale Organisation mit Hierarchien und Strukturen, sondern wir verstehen die Kirche als Mysterium: Sie ist der Körper Christi, eine Gemeinschaft aus den Heiligen im Himmel und uns, die wir noch in diesem Leben weilen. Strukturiert ist die Kirche, angeführt von Jesus Christus, in Patriarchate, Diözesen und Gemeinden. Doch sie lässt sich noch weiter aufteilen in die kleinste Einheit: die Familie. Die Familien sind die "Kleinen Kirchen". Im Ehegelübde werden Braut und Bräutigam gekrönt für ihr Martyrium in der Ehe, aber auch, weil sie die rechtmäßigen Führer ihres neuen Haushalts, der Kleinen Kirche, sind. Christus wird das Zentrum und der Kopf dieser Kleinen Kirche, so wie er auch Zentrum und Kopf der großen Kirche ist. Die Kleine Kirche hat ihre eigene Hierarchie und eine Laienversion der Sakramente - wir brechen gemeinsam Brot, wir segnen einander, wir salben einander, beten füreinaner und lieben einander in dieser kleinen Gemeinschaft im stetigen Bemühen Gott immer näher zu kommen.
Die häusliche Kirche ist dabei allerdings kein magischer Ort, an dem alles friedlich und problemlos vonstattengeht, die Gebete werden nicht wie durch Zauber Frieden und Harmonie schaffen. Familienleben ist und bleibt ein Kampf, aber wenn wir diesen Kampf mit Christus kämpfen, ernten wir reiche Früchte und werden darin Segen finden.
Der Eckstein der Kleinen Kirche ist das Familiengebet, wofür wir unbedingt Zeit finden sollten, auch wenn es durch die vielen beruflichen und schulischen Verpflichtungen sowie Freizeitaktivitäten in der Familie manchmal sogar schwer ist, Zeit zum gemeinsamen Essen zu finden, geschweige denn für lange Gebetsroutinen. Und wie mit so vielen Dingen, mag man oft versucht sein, das Gebet zu verschieben oder ausfallen zu lassen, aber gerade hier sollten wir uns unserer Prioritäten bewusst sein.
Im Buch heißt es dazu: "Die Kirche in ihrer Weisheit zeigt uns einen gesunden Rhythmus, der uns zu einer ganzheitlichen guten Routine führt. Statt der hektischen Gechwindigkeit einer außer Kontrolle geratenen Familie bietet die Kirche einen intentionalen, friedlichen Rhythmus, der auf Gebet und Liebe fundiert,"
In diesem Sinne ist in einem orthodoxen Zuhause die Zeit des Gebets eine heilige, die uns in unserem geistlichen Familienleben hilft, anstatt uns auseinanderzureißen. "Wenn wir Zeit segnen mit Gebet, liturgischen Zyklen und geistlichen Jahreszeiten, benutzen wir die Zeit wie vorgesehen: als Erinnerung an Gott und als Werkzeug für unser geistliches Wachstum." Mit dem Geschenk der Zeit von Gott werden Eltern die Hüter des Familienrhythmus und so kann man, wenn man sich seinen alltäglichen Rhythmus genauer anschaut, bestimmt ein paar Minuten finden, die man zum Familiengebet nutzen kann. Unsere Häuser sind ein "Mikrokosmos von Christus' Kirche" und wir sollten lernen, das zu feiern und unser Zuhause zu einem Ort zu machen, wo Gebet, Stille und gesegnetes Beisammensein die Norm sind und nicht etwas Besonderes darstellen. Auch wenn es anfänglich Protest geben sollte und die Grenzen der neuen Regeln ausgetestet werden sollten, werden die Kinder die neuen Routinen bald akzeptieren, besonders dann, wenn die Eltern sie voller Freude und konsequent einhalten.
Man sollte sich allerdings auch nicht zu viel vornehmen (sonst droht man überwältigt und entmutigt zu werden) oder sich mit anderen vergleichen, sondern lieber langsam anfangen, Routinen aufzubauen, die zum eigenen Familienrhythmus passen.
Das wichtigste Element dieses Familienrhythmus ist die Gebetsroutine. Dafür hier ein Beispiel:
Mit der täglichen Gebetsroutine verhält es sich so wie mit dem wöchentliche Kirchgang: Wenn sie nicht verhandelbar ist, wird sie für alle bald zur Selbstverständlichkeit. Im Buch steht dazu: "Wenn diese Routinen und Rhythmen Teil der Familienkultur werden, wird man Kinder großziehen, die verstehen, dass das geistige christliche Leben ein normaler und wichtiger Aspekt des Familienlebens ist." Bei allem gilt aber: Bei Unsicherheit was und wann gebetet werden soll, ist der geistliche Vater der erste Ansprechpartner!
Als zentralen Ort für das Familiengebet ist es üblich, eine Ikonenecke zu schaffen. Diese sollte wenn möglich gen Osten gerichtet sein. Zu bedenken ist, dass es für Christen, die aus der protestantischen oder evangelikalen Tradition kommen, manchmal eine Überwindung kostet, Ikonen aufzustellen und zu verehren. Hier könnte man vielleicht zuerst klein anfangen und nur eine Ikone aufhängen. Die Ikonenecke wächst ohnehin im Laufe der Zeit mit Ikonen und anderen Gegenständen (wie Kerzen, Weihrauchgefäßen, heiligem Öl etc.), die Bedeutung für die Familie haben und/oder geschenkt wurden. Neben der Hauptikonenecke, die z.B. auch auf einem einfachen Brett oder Regalbrett aufgebaut werden kann, bietet es sich an, auch eine kleine Ikonenecke im Kinderzimmer aufzubauen/aufzuhängen mit Ikonen der Namensheiligen, einem Kreuz und einer Christus- und einer Gottesmutterikone und sonstigen geliebten Heiligen der Kinder. Wir z.B. haben uns für ein Brett am Bett entschieden, auf dem Ikonen liegen und stehen, die in die Hand genommen und geküsst werden können. Alternativ kann man auch an der Hauptgebetsecke einige Ikonen auf Augenhöhe der Kinder aufhängen.
In ihrer Weisheit hat die Kirche das Jahr aufgeteilt in verschiedene "Jahreszeiten" mit Fastenzeiten, Hochfesten, anderen kleineren Festen und das Gedenken der verschiedenen Heiligen an jedem Tag im Jahr. Die wichtigste und sinnvollste Art, diese Feste und Heiligen zu feiern, ist natürlich der Besuch eines Gottesdienstes, aber auch das Erlernen des jeweiligen Troparions oder Kontakions. Außerdem stellt das Lesen und Besprechen der jeweiligen Bibelpassage oder Heiligenvita einen unerlässlichen Bestandteil der Feste dar. Zuhause kann man die jeweilige Festtags- oder Heiligenikone aufstellen, mit ein paar Blumen dekorieren und bei jeder Mahlzeit und Gebetszeit das Troparion oder Kontakion singen. Besonders die Namenstage der Familienmitglieder kann man in dieser Art feiern. Es gibt hier natürlich kein richtig oder falsch, aber um den Kindern den Wert, den wir den Heiligen, und vor allem unseren Namenspatronen beimessen, zu zeigen, könnte man z.B. am Namenstag die Taufpaten zu einem Kuchen einladen und "Noch viele Jahre" singen. Eine Vielzahl an Ideen, diese Fastenzeiten zu begehen und die großen Festtage und viele Heilige zu feiern, habe ich in der Ideensammlung zusammengestellt.